Bereits letztes Jahr wurden „Eckpunkte für eine umweltpolitische Digitalagenda des BMU“ veröffentlicht, die nun am 02.03.2020 final als eine Digitalagenda vorgestellt werden soll. Dabei geht es laut BMU um zwei zentrale Fragen:
Wie hilft uns die Digitalisierung dabei, Umwelt und Klima zu schützen?
Wie gestalten wir die Digitalisierung nachhaltig?
Diese Fragen haben wir uns auch schon oft gestellt und sind bei unserer Einstellung dazu sehr nah am Forschungsstand, den Tilman Santarius und Steffen Lange in ihrem Buch „Smarte Grüne Welt?“ beschreiben.
Unsere Gedanken zum Papier
In diesem Lichte möchten wir zu jeder der zehn Thesen dieses Eckpunkte Papiers des BMU, die wir im Folgenden zitieren (genaue Inhalte bitte dort nachlesen), eine kurze Einschätzung abgeben.
1. Wir wollen eine Digitalisierung, deren Potenziale für die Jahrhundertaufgabe Klimaschutz genutzt werden.
Da die heutige Welt und digitale Teilsysteme so komplex geworden sind, dass man Rebound-Effekte kaum vollständig erfassen kann, sollte hier nicht dem heiligen Gral der Effizienzsteigerung hinterhergerannt werden. Mit dem „Digital Innovation Hub for the Climate“ sollen innovative Lösungen unterstützt werden. Wir denken hier wird die Verantwortung, welche die Ministerien haben an die Bevölkerung und die Wirtschaft ausgelagert, die aufgrund des Lösungsbezuges auch noch in Vorleistung gehen müssen, da nicht eine Analyse und Definition eines Problem im Zentrum solcher Förderungen steht, sondern immer ein Lösungs- / Produktfokus besteht. Diese Lösungen sollen sich dann noch verstetigen lassen unter den Bedingungen unseres kapitalistischen Wirtschaftssystems – solange dies auf Profit anstatt auf Gemeinwohl ausgerichtet ist, besteht hier ein großer Widerspruch bei der Förderung solcher unternehmerischen Tätigkeiten: Digitatalisierung wird so der Umwelt und dem Klima schaden anstatt zu schützen!
2. Wir wollen eine Digitalisierung, die den Schutz von Umwelt und Natur garantiert. Digitales Monitoring kann nicht nur der besseren Einhaltung von Umweltrecht, sondern auch der besseren Beobachtung der Umwelt nutzen, zum Beispiel um den Schwund von Arten und Lebensräumen zu stoppen.
Symptome schwindender Biodiversität oder der Vermüllung der Weltmeere zu überwachen und zu kontrollieren kann punktuell sinnvoll für das Verständnis und deren Beurteilung sein, ändert aber nichts an den Ursachen für deren Auftreten. Hier sollte besser priorisiert und bei jedem Einsatz von Technologie Kosten-Nutzen in allen Nachhaltigkeitsdimensionen beachtet werden, bevor gehandelt wird, da die Installation solcher Systeme wiederum seltene Ressourcen kostet und ein flächendeckender Einsatz nicht sinnvoll ist.
3. Wir wollen eine Digitalisierung, in der sich Künstliche Intelligenz am Nutzen für Mensch und Umwelt orientiert. Erst dann ist sie wirklich eine zukunftsweisende Schlüsseltechnologie. Wir wollen Künstliche Intelligenz zum Treiber für Umwelt-, Natur-, Klima- und Ressourcenschutz machen.
Künstliche Intelligenz, besser als maschinelles Lernen zu bezeichnen, ist eine der größten Energiefresser überhaupt und die Verbreitung des Einsatzes von KI ist erst am Anfang. Darüber wurde bislang der „social bias“ vieler solche Systeme nicht ausreichend berücksichtigt – und die eher unkritische Haltung Gegenüber dieser Technolgie wekct kein Vertrauen darauf, dass sich das noch entwickeln wird. Dies wird zu nicht unwichtigen sozialen und ökonomischen Schiefstellungen führen. Wir sagen, rechenintensives maschinelles Lernen, soll nur zweckgebunden in besonderen Ausnahmefällen, anstatt flächendeckend gefördert und gefordert, anstatt unreflektiert als neue unerschlossene Märkte ausgenutzt werden.
4. Wir wollen eine Digitalisierung, in der alle Anspruch auf Umweltdaten haben. So wie jeder Mensch Anspruch auf eine gesunde Umwelt hat. Unsere Haltung dabei ist: Umweltinformationen müssen gut zugänglich, frei verfügbar, valide und transparent sein. Sie gehören allen.
Unterschreiben wir, unter der Bedingung das immer die Zweckmäßigkeit der Daten im Vordergrund stehen sollte, Daten sollten nur erhoben werden, damit sie Probleme lösen können. Riesige Datenmengen einfach nur zu horten, weil man es kann, oder weil sie eh schon da sind, verschwendet Ressourcen, die wir nicht haben. Eine eine Verschneidung der vielen teilweise öffentlich betriebenen Plattformen für OpenData ist sinnvoll, um Redundanzen und Ressourcennutzung zu minimieren und neue Anwendungsfälle zu bedienen – dafür müssten allerdings die passenden Lizenz-rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
5. Wir wollen eine Digitalisierung mit klaren Grenzen für Energie- und Ressourcenverbrauch und Schutzstandards für unsere Gesundheit. Deshalb muss sie ökologisch verträglich gestaltet werden.
Die Gesundheit wäre schon fast inhärent gegeben, wenn man die Leitprinzipien der nachhaltigen Digitalisierung berücksichtigen würde, nämlich digital suffizient und Gemeinwohl-orientiert (und konsequent datenschützend) zu entwickeln und zu gestalten. Und einen Blauer-Engel-Siegel für Digitale Produkte einzuführen ist eine sehr unwirksame und, wie auch bei den Lebensmitteln, unnatürliche Maßnahme. Man sollte das was nicht normal und nicht gut ist kennzeichnen, nicht das was Standard sein sollte.
6. Wir wollen eine Digitalisierung, die geschlossene Produktkreisläufe und neue unternehmerische Verantwortung für eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft schafft. Mithilfe der Digitalisierung wollen wir Produktions- und Lieferketten transparent machen und Umwelt- und Sozialstandards auch global besser durchsetzen. Den illegalen Export von Elektroschrott, insbesondere nach Afrika, wollen wir wirksam verhindern.
Auch hier gilt wieder: Ohne die passende Gesetzeslage, wird das nicht funktionieren. Außerdem: Was für KI gilt, gilt auch für Blockchain – sehr energieintensiv, nur in Ausnahmen einsetzen. Ein Recht auf Reparatur wäre ein sinnvoller Schritt gegen künstliche Obsoleszenz – auch hier Hardware und Software als ein System betrachten. Was gestern vom Staat als innovative, nachhaltige Lösung subventioniert wurde, wird morgen als schwer zu recycelnder Elektromüll deponiert oder verschmutzt die Umwelt #EScooter.
7. Wir wollen eine Digitalisierung, die nachhaltigen Konsum und nachhaltige Mobilität befördert und das Bewusstsein für die Umweltwirkungen des alltäglichen Handelns schärft.
Das klingt gut soweit – Wobei man bedenken muss, dass die Ursachen von unnachhaltigem Konsum / unnachhaltiger Mobilität nicht an schlechter oder keiner Digitalisierung liegt. Entsprechend wird die Digitalisierung allein auch nicht die Lösung sein, sondern es müssen die Ursachen adressiert werden. Des Weiteren kann auch digitaler Konsum unnachhaltig sein und muss entsprechend gestaltet werden. Dies kann allerdings nur funktionieren, wenn bestimmte politische und kulturelle Rahmenbedingungen gesetzt worden sind – dem müssen wir uns bewusst sein, alles andere wäre naiv.
8. Wir wollen eine Digitalisierung, die durch die Forschung nachhaltig vorangetrieben wird. Die Folgen der digitalen Transformation für Umwelt, Natur und für die Nachhaltigkeit sind bisher nur ansatzweise erforscht. Die Projektionen der digitalen Welt von morgen basieren auf bekannten Denkmustern, Erfahrungen und Pfaden: Wir denken nicht Neues – wir denken das Alte weiter.
Wir lehnen uns mal weit aus dem Fesnter und behaupten: Es müssen nur an wenigen Stellen noch mehr Ressourcen in Forschung stecken, die Lösungen liegen auf dem Tisch – geht zu Instituten, geht in die Reallabore, geht zu Zukunftsforschern. Forschungsprojekte zu finanzieren und dann nicht den Mut haben diese umzusetzen, sodass sie in der Schublade landen, bringt nichts. Mehr politischer Wille ist gefragt, sowie auch Investionen und Rahmenbedingungen für die flächendeckende Implementierung nachhaltiger Konzepte, die sich bereits bewiesen haben. Und zwar auch in ländlichen Räumen, nicht nur in Modellstädten.
9. Wir wollen eine Digitalisierung, die auf einer starken Zivilgesellschaft, Beteiligung und guter digitaler Umweltbildung fußt.
Ja – die genannte „Innovationsagentur“ spiegelt unsere Ziele wieder! Mehr Nachhaltigkeit und Fähigkeit zu Kritik und Reflexion muss in die Bildung. Damit das nachhaltig funktioniert müssen Schule, Ausbildungen, Studium und auch demokratische Teilnahme müssen ganzheitlich neu gedacht werden. Dafür müssen auch wieder politisch und kulturell die Weichen gestellt werden. Die Menschen, welche die Veränderung mit tragen sollen müssen auch die Freiheiten und Ressourcen bekommen dies zu tun.
10. Wir wollen eine Digitalisierung, in der sich die neuen Formen von Arbeit und Zusammenarbeit auch in der Organisationskultur spiegeln. Wir arbeiten daran, auch unsere eigenen Digitalisierungskompetenzen auszubauen und eine „Modernisierungsagenda BMU“ umzusetzen.
JEDES Ministerium sollte die Kompetenz haben die Digitalisierung in ihrem Handlungsfeld in sozial und ökologisch verträglichem Maße einzusetzen. Dazu braucht es entsprechende Stellen und Gelder für Projekte die nicht nur Lösungsbezogen ausgeschrieben werden, sondern fähiger interdisziplinäre Teams die problemorientiert handeln dürfen! #SanfteDigitalisierung
Zu guter letzte heißt es „Eine nachhaltige Digitalisierung muss eine europäische sein“. Da momentan der Großteil aller genutzten Services und Infrastruktur für das Internet nichtmal in der EU zu finden ist, sage ich, eine nachhaltige Digitalisierung muss eine globale sein.